Joachim Ickrath

Joachim Ickrath

Vita
1940
geboren in Berlin
Kindheit und Jugendjahre weitgehend in Saarbrücken
1959 – 1962
Ausbildung an der Kunst- und Gewerbeschule in Basel/ Schweiz
1963
Umzug nach Berlin
1964 – 1965
Stipendiat in der Bildhauerklasse von Prof. Hans Uhlmann an HDK Berlin
1966
Mitbegründer der Künstlergruppe ZAAZ
Mitherausgeber der Künstlerzeitschrift „ZAAZ“
1970 – 1981
Reisen in Europa, Asien und Amerika, längere Indienaufenthalte
1982
niedergelassen als freischaffender Künstler in Völklingen (Saarland)

Ausstellungstätigkeit (Auswahl)
1967
Galerie Dädalus, Berlin
1969
Berlin: Konstruktive Kunst, Elemente + Prinzipien
Galerie Rosenstraße, Saarbrücken
1981
FIAC, Paris
Skulpturenmuseum Glaskasten, Marl: Kunstsituation Saar (K)
1982
Kunstzentrum Bosener Mühle
Kunstverein Dillingen
1984
Galerie Steinert, Saarbrücken: Grafica (K)
Interart, Moskau: face to face (K)
1986
Künstlerhaus Augsburg

1991
Galerie im Zwinger, St. Wendel
Galerie im Zwinger, St. Wendel: against racism
Saarländisches Künstlerhaus, Saarbrücken: Jahresausstellung BBK
1995
Pfalzgalerie, Kaiserslautern: Konstruktive und konkrete Grafik (K)
1997
Museum St. Ingbert: Kunstszene Saar, Landeskunstausstellung
(K)
1998
Landeskunstausstellung NRW, Düsseldorf (K)
2000
Große Kunstausstellung im Haus der Kunst München (K)
Städtische Galerie, Neunkirchen: Kunstszene Saar: Visionen 2000 (K)
Landeskunstausstellung NRW, Düsseldorf (K)
Kulturgut Völklingen, Kunstforum Neues Rathaus Völklingen: SICHTWEISEN (K)
Galerie Mediatheque, Forbach/Frankreich
2001
Landeskunstausstellung NRW, Düsseldorf (K)
2002
Schloss Dagstuhl, Wadern
2004
Meisterhaus, Völklingen: Arbeiten der letzten 20 Jahre
2006
Galerie 48, Saarbrücken: Im Fadenkreuz
2007
Kunstverein Dillingen im Alten Schloss: Drehmomente (K)
2017
Landeskunstausstellung, Lehrwerkstatt Burbach-Saarbrücken: SAARART 11 (K)
Kunstverein Dillingen/Saar: Suprema (r) t, vom Überleben der Kunst, gemeinsam mit Werner Constroffer
2018
Künstlerhaus Saarbrücken: colorcode (K)
2020
Museum im Stern, Warburg: sinfonie & colorcode (K)

Thoms Girst
Joachim Ickrath

Den Arbeiten des 1940 in Berlin geborenen Völklinger Künstler Joachim Ickrath zum Thema Natur, Renaturierung und komplexe Systeme liegt eine Spannung zugrunde, die sich weder auflösen möchte noch kann. Zum einen treffen seriell konzipierte, zweidimensionale geometrische Muster und Streifen in veränderter Kalibrierung auf farblich nuanciert sich verändernden Flächen im Hintergrund, die zumindest die Idee räumlicher Dimensionierung noch zulassen. Zum anderen spricht Ickrath selber, dessen zunächst konkret angelegte Kunst sich eben auch aus der indischen Philosophie des Samkhya speist, von der „Spannung zwischen dem kleinen Ich und den unendlichen Universen. Der Mensch versucht zu verstehen, aber er kann es nicht“. Der Künstler ist hier in der Rolle des Forschenden, die Malerei bietet ihm das Feld dazu. „Wir können die Naturgesetze und die menschliche Bedingtheit um keinen Deut verändern. Die Kunst ist es, auf eine empfindsamere Ebene zu gelangen, eine feinere Ebene, wo wir die Welt nicht mehr so grob sehen.“

Ickrath selbst wohnt in unmittelbarer Nähe des Weltkulturerbes Völklinger Hütte. Die Zerstörung der Landschaft und die Ausbeutung der Ressourcen treibt eine „Spaltung von Mensch und Natur“ voran, die zur „Entfremdung und Vereinsamung“ des Einzelnen führen kann. Ickrath will als freier Künstler diesen Zustand weder dokumentieren noch in anklagende Bildmetaphern überführen. Seine Arbeiten beziehen sich eben nicht direkt auf ehemalige Industriebrachen und tragen wertneutral konnotierte, dem Künstler spontan eingegebene Titel wie „Regionaler Strukturwandel“, „Netzwerk“, „Entdeckung“ oder „Diskurs“. Sein Pinsel geht auf Erkundungsfahrt, die Strenge des Systems wird aufgebrochen, auch wenn eine lockere Ordnung dabei erhalten bleibt. „Das Technische wird mit mehr Natürlichem kombiniert. Eine Empfindung, ein Gefühl. Die verschiedenen Farben sind komplex“, so Ickrath. Die Werke „sind freie Schöpfungen, unabhängig von äußeren Dingen, ganz aus dem Inneren, Geistigen heraus. Die Bilder sollen Stimmungen erzeugen.“

Dem Betrachter sollen die Bildinhalte rätselhaft bleiben, sich zumindest nicht unmittelbar erschließen, der Künstler lädt zur konzentrierten Auseinandersetzung mit ihnen ein. Spiegeln sie nicht auch den Dualismus von Mensch und Natur und damit letztlich unser Unvermögen, ja, unseren Irrglauben, mit menschlichem Maßstab etwas viel Größerem habhaft werden zu wollen? „Denn die Elemente hassen / Das Gebild von Menschenhand“ zitiert Ickrath in diesem Zusammenhang zwei Zeilen aus Schillers „Glocke“ und verweist gleichzeitig auf Charles Darwins Aussage, wonach alles, was gegen die Natur sei, auf Dauer keinen Bestand habe. Gleichwohl wohnt den Arbeiten des Künstlers zum Thema der Renaturierung etwas Spielerisches inne, eine Leichtigkeit, die einerseits die Unbedarftheit des menschlichen Fortschrittglaubens vorführt und andererseits die Dichotomie von Mensch und Natur als verschlüsselten Rebus in der Schwebe hält. Wie einst Heinrich Heine in seiner Harzreise für den unverklärten Blick auf seine Zeitgenossen die Berge hinaufstieg, so sind auch Joachim Ickraths Bilder ein Angebot für den Betrachter das menschliche Tun in seinen Bildern gespiegelt zu verinnerlichen. Denn so klein der Mensch auch sein mag, im Anthropozän ist er es, der die Erde entscheidend zu ändern imstande ist. Auch Ickrath führt wie Werner Constroffer Johann Wolfgang von Goethe an, in diesem Fall einen Vierzeiler aus dessen Zahmen Xenien: „Wär‘ nicht das Auge sonnenhaft, / die Sonne könnt es nie erblicken. / Läg‘ nicht in uns des Gottes eig’ne Kraft, / wie könnt uns Göttliches entzücken?“ Im Bestfall erkennt der Betrachter von Ickraths Werken, das im Großen das Kleine enthalten ist, ebenso wie umgekehrt. Die Wechselwirkung von Mikro- und Makrokosmos, ganz ohne die Gefahr verklärter Romantik.

© 2021 Thomas Girst